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Tania M.s Blog
Verlieben? Bloß nicht!
Tania M. | 29.08.2013 323 17
Neulich, nach einigen Gläsern Wein, gestand eine Freundin, dass sie sich eigentlich gern mal wieder verlieben würde. Am liebsten hätte ich ihr das Glas entrissen und sie zwecks Ausnüchterung in den nahe gelegenen Springbrunnen gesteckt. Kopfüber. Da jedoch in unserer schönen Stadt die Springbrunnen um 20:00 Uhr abgeschaltet werden, haben wir stattdessen die nächste Flasche geöffnet und uns mal ganz nüchtern die Nachteile einer Verliebtheit im Vergleich zu einer Affäre oder einer Freundschaft++ vor Augen geführt.
Verliebtheit bedeutet ja nicht nur, dass man diese wunderbaren Schmetterlinge im Bauch hat. Dass Dinge wie knutschen oder Händchenhalten plötzlich wieder reizvoll werden. Dass man Teddybären mit sich herum trägt und bei jeder SMS dümmlich grinst. Es bedeutet vor allem, dass einem ein anderer Mensch wichtig wird. Dass man mit diesem Menschen zusammen sein möchte. Mit ihm gemeinsam etwas unternehmen möchte. Zusammen Zukunftspläne schmiedet - vielleicht sogar gemeinsam alt werden will. Und es bedeutet sexuelle Exklusivität. Und damit beginnen sie dann auch schon - die Probleme.
Gehen wir sie mal in wahlloser Reihenfolge durch - beginnend mit dem scheinbar einfachsten Thema: Sex. Sex in einer Affäre ist per se immer befriedigend - sonst hätte man ja keine solche. Und wenn der Gegenpart mal verhindert ist - was soll's? Ruft man eben einen der anderen Bewerber an. Oder meldet sich mal kurz beim spion an Ist man verliebt, ist das nicht mehr drin. Nicht, weil es dann verboten oder moralisch fragwürdig wäre - nein, schlimmer: man selbst will einfach nicht. Sex mit dem Menschen, den man liebt, ist nun mal Klassen besser - da ist unverbindliches spaßvögeln vergleichsweise reizlos. Hat man als verliebter Unglücksrabe also das Pech, dass der Gegenpart nicht immer dann verfügbar und willig ist, wenn man selbst Lust hat, bleiben nur die guten alten Handarbeiten. Zumindest nach 20:00 Uhr, wenn die schönen kalten Springbrunnen abgeschaltet sind.
Problem Nummer 2: gemeinsame Unternehmungen. Dazu ist nicht viel zu sagen, oder? Er Berge, sie Meer. Er Camping, sie Wellnesstempel. Er Fußball, sie Theater. Sicher, man kann so etwas auch mit anderen Freunden oder Freundinnen machen - würde da nicht Problem Nummer 3 dazwischenfunken: diese verdammte Sehnsucht danach, mit dem Objekt des Interesses einfach nur zusammen zu sein. Dummerweise neigen die Leute nicht gerade dazu, nach ein paar Wochen zusammenzuziehen - selbst tägliche Treffen sind die absolute Ausnahme. Insofern verbringt man einen deutlichen größeren Teil seiner Freizeit damit, den anderen zu vermissen, als damit, nebeneinander zu sitzen / stehen / gehen / liegen und einander in die Augen zu schauen. Oder so ähnlich. Bedenkt man, dass die gemeinsamen Stunden wie im Flug vergehen, während die Zeit, in der man sehnsuchtsvoll allein zu Hause sitzt, sich scheinbar unendlich dehnt, rückt der Punkt, an dem die Schön / Doof - Waage sich bedenklich in letztgenannte Richtung neigt, gefährlich nahe.
Kommen wir lieber zum vierten Problem: den Zukunftsträumen. Und dabei rede ich noch nicht einmal von der schwierigen Frage, dass diese bei allen Beteiligten einigermaßen kompatibel sein sollten - das Übel liegt bereits in der Präsenz des Wortes "Zukunft". Fährt die Affäre gewohnheitsmäßig auf einem schweren Motorrad vor und hat mehr Punkte in Flensburg als ein Zebra Streifen, ist das vielleicht noch ziemlich cool. Langfristig betrachtet weiß man jedoch, dass es in dieser Konstellation mit dem "gemeinsam alt werden" schlecht aussieht - und muss die Aussicht, irgendwann ein Kreuz am Alleebaum zu pflegen, zumindest mit einkalkulieren. Dreht die Affäre die Zahnpastatube nicht zu, ist unfähig, die Kaffeetasse in den Geschirrspüler zu bringen und lässt die Socken mitten im Zimmer liegen, ist das zu verschmerzen. Die Socken nimmt man ja wieder mit - und einmal pro Woche räumt man den restlichen Kram dann eben selbst auf. Sich das für den Rest des Lebens vorzustellen ist etwas schwerer. Wir schauen genauer hin, legen höhere Maßstäbe an - und müssen selbst ebenfalls strengeren Kriterien genügen. Nicht wirklich einfach.
Und damit sind wir beim fünften Problem dieser sicher endlos fortsetzbaren Liste angekommen: der leidigen Tatsache, dass uns dieser Mensch etwas bedeutet. Und dass wir damit verwundbar werden. Hat eine Affäre etwas an unserem kleinen Bauch herumzunörgeln - so what? Wenns ihm nicht passt, kann er ja gehen. Ähnliche Kritik vom Menschen, den man liebt, ist härter zu verkraften. Entweder steckt man den Treffer dann irgendwie weg - oder man igelt sich samt allen verletzbaren Gefühlen ein - oder man schlägt zurück. Alles nicht unbedingt konstruktiv.
Fazit: Finger weg vom Verlieben. Bringt echt einen Haufen Probleme mit sich, die man in einer netten kleinen Affäre nie hätte. Sollte sich doch mal ein Schmetterling in den Bauch verirren, empfiehlt sich der Genuss von Insektenvernichtungsmitteln. Umgehend!
Nein??? Du magst diese Schmetterlinge? Willst sie wachsen und gedeihen lassen? Dann herzlich willkommen im Club der Unbelehrbaren. Der ewigen Optimisten, die daran glauben, dass all diese Probleme lösbar sind. Nicht, weil man irgendwann den 100% kompatiblen Menschen trifft (das ist die Tür nebenan - der Club der Träumer und Irrationalen), sondern weil man sich in einen Menschen verliebt, mit dem man gemeinsam eine Lösung finden kann. Kompromisse erarbeiten kann. Probleme zusammen anpackt, statt das Ganze einfach hinzuschmeißen. Mit dem man irgendwann zu einer Art von Beziehung finden kann, in der die Schmetterlinge einfach frei und sicher fliegen können - in der es mehr Sonnenschein als Gewitter gibt - in der beide einfach glücklich sind. Nicht pausenlos, aber doch überwiegend. Allein für diese Chance lohnt es schon, all die oben genannten Probleme zu lösen, statt vor ihnen zu flüchten. Auch wenn es zwischenzeitlich vielleicht etwas unangenehm ist.
Und wenn's trotz allem nicht klappt, kann man immer noch Tucholsky lesen ... dann weiß man wenigstens, was einem erspart geblieben ist http://meister.igl.uni-freibu...dichte/tuc_k08.html