DieTrauminsels Blog
Das purpurrote Wunder - Teil 2
DieTrauminsel | 09.04.2008 1 0
So vergingen einige Jahre, bis wieder der Herbst Einzug nahm. Unser alter Freund saß wie gewöhnlich auf der Bank. Er sah mit traurigem Blick das Röslein an und sprach: „Du bist wunderschön herangewachsen. Hast mein Herz jahrein und jahraus erfreut. Aber meine Zeit ist abgelaufen. Ich glaube, es ist unser letzter Winter, den wir beide zusammen verbringen können. Aber ich verspreche dir, dass ich dich niemals vergessen werde. Mein Röslein, bitte versprich mir auch etwas.”
Das Röslein sah ihn traurig und mitleidig an. Mit feuchten Augen fragte es zaghaft: „Was möchtest du denn, das ich dir versprechen soll?”
„Werde mir zu liebe, noch schöner, noch größer, noch standfester, als du es jetzt schon bist.”
Das Röslein erwiderte stockend und mit traurigem Antlitz: „Ich verspreche es dir, weil du mein Freund bist und immer und ewig bleiben wirst und — weil ich dich sehr lieb hab’.”
Wieder einmal senkte sie ihr doch so stolzes Köpfchen und schielte ihn aus ihren verführerischen Augenwinkeln an.
Abermals streifte der Herbst durch’s Land und der Winter ließ alles erstarren.
Als dann endlich die Sonne fast alles erwärmte und zum Leben erweckte, sah unser Röslein sich um. Aber den liebevollen und gutherzigen Freund konnte es nirgends erblicken. So fragte es die fünfhundert Jahre alte Eiche, die ihre Äste im Winde wog: „Liebe Eiche, hast du meinen Freund gesehen?”
Diese neigte ihre Zweige herab und erwiderte: „Mein Herzchen, er ist zu Anfang des Winters von uns gegangen - ganz still und heimlich, wie er kam.”
Das Röslein senkte vor Kummer und Gram das edle Haupt. Es wollte auch nicht mehr weiter auf Erden verweilen.
So vergingen einige Wochen - trostlos und leer - bis eines morgens alle Blumen das Röslein erstaunt anstarrten. Dort, wo sonst immer unser Röslein stand, erstrahlte eine purpurrote, kräftige und elegante Rose. Voller Stolz reckte sie alle ihre Zweige, Blätter und Blüten gen Himmel. Jeder, der an ihr vorbei ging, blieb wie angewurzelt stehen, ja er musste stehen bleiben und sie bewundern, so herrlich leuchtete ihr Antlitz.
Sehnsüchtig blickte sie mit strahlenden Augen hinauf zum Himmel und schien ihren geliebten Freund zu erkennen. Es kam ihr so vor, als schob er die Wolkendecke ein wenig beiseite und sie meinte ein vertrautes Zwinkern in seinen Augen zu erkennen.
Das Rauschen des Windes flüsterte ihr sanft zu: „Mein Herzchen, ich freue mich, dass du meine letzten Worte verstanden hast. So ist es gut. Wunderschön erstrahlst du im Sonnenschein. Irgendwann sehen wir uns wieder in einer viel, viel schöneren und besseren Welt.”
Voller Stolz senkte sie wieder - leicht errötend - ihre zarten Augenwimpern und dachte an seine letzten Worte, die er zu ihr sprach:
„Ich vergesse dich niemals.”
Das purpurrote Wunder - Teil 1
DieTrauminsel | 09.04.2008 5 0
Vor langer Zeit warf ein Rosenzüchter ein kleines blaßrotes Röslein achtlos weg, nur weil es seiner Wertvorstellung nicht mehr entsprach. Denn er sammelte alles extra-vagante und es durfte ihm nicht viel Aufwand kosten.
Kurze Zeit später setzte sich ein ergrauter Mann auf die Parkbank neben der das traurige Röslein vom Leben Abschied nehmen wollte. Er bemerkte, wie es innerlich weinte und vor Trauer verging. Er schüttelte nachdenklich sein graues Haupt und hob das kleine Röslein mit den Worten auf: „Komm’ mein Kleines. So darfst du nicht enden. So einen Tod hat kein Wesen auf dieser Welt verdient; du also er recht nicht.”
Sie war zwar völlig erschöpft und mutlos, aber diese Worte waren wie wärmende Sonnenstrahlen für sie, sie weckten neue Lebensgeister in ihr. Der alte Mann pflanzte das Röslein behutsam inmitten seines liebevoll angelegten Blumenbeetes ein. Danach betrachtete er das Röslein, welches den Kopf kraftlos hängen ließ.
Nun bekommst du noch frisches Wasser, damit du dich schnell erholst.”
Danach setzte er sich auf die vor dem Beet stehende uralte Bank, die von wundervollem Efeu und anderen rankenden Gewächsen beschattet wurde. Er ging erst, nachdem die Sonne hinterm Horizont verschwand.
Am nächsten Morgen reckte und streckte sich das zu Kräften gekommene Röslein. Es sah sich auf dem Blumenbeet um und erkannte viele bunte und strahlende Blumen, die mit ihren Blüten in allen Farben leuchteten. Von der Nachbarin, der herrlich blauen Iris, erfuhr es, dass der alte Mann all diese strahlenden Blumen aufsammelte und hegte und pflegte.
Erstaunt blickte sie ihn an, als er wieder auf der Bank vor ihr saß, genüßlich an seiner Zigarette zog und den blauen Dunst ins Firmament blies.
„Er sieht wohl etwas streng aus, aber er scheint ein gutes Herz zu haben”, dachte sie und streckte ihre Blüten den warmen Sonnenstrahlen entgegen. Als der Blumenfreund wieder aufstand, neigte er sich zu ihr hinab und zupfte ein welkes Blatt ab.
„So, nun siehst du wieder hübsch aus. Gefällst mir heute schon viel, viel besser.”
Von Tag zu Tag erholte sich das Röslein immer mehr.
Der Herbst nahm mit Stürmen und Schauern Einzug. Kurz darauf zog der eisige Winter sein ureigenes weißes Kleid an.
Doch bereits nach kurzer Zeit lockten die ersten wärmenden Sonnenstrahlen den Frühling hervor. Alle Pflanzen reckten sich auf’s Neue. Die Vögel lockten mit ihrem Gezwitscher und Gesang die verschlafenen Tiere aus ihren Bauten und Behausungen. Alle sollten an dem alljährlichen Frühlingsspaß teilnehmen. Auch das Röslein zeigte mit seinen frischen Knospen neue Lebenskraft. Strahlend sah der alte Freund, welch herrlich, leuchtend rote Farben ihn anlächelten.
Mit sanfter Stimme flüsterte er: „Na, mein Kleines, so gefällst du mir schon tausend Mal besser als letztes Jahr.”
Unser Röslein senkte errötend das Haupt, um sich danach jedoch noch stolzer und schöner den kräftigen Sonnenstrahlen entgegen zu strecken. Tagein und tagaus besuchte unser alter Freund die Blumen und bewunderte vor allem die Blütenpracht des stolzen Rösleins. Es war für ihn eine Augenweide, sie anzusehen. Wie vornehm sie ihn doch immer wieder anlächelte.